Bio-Recht in Österreich und der EU

11. Jänner 2022

Die EU-Bio-Verordnung 2018/848 wird ab 1. Jänner 2022 gelten. Sie bildet die neue Rechtsgrundlage für die Produktion, Verarbeitung und Kontrolle von Bio-Produkten. Wir geben einen Überblick über nationale und internationale Rechtsgrundlagen, über Gremien und Entscheidungsprozesse und wie BIO AUSTRIA in diese eingebunden ist.

Die EU-Bio-Verordnung 2018/848 ist die Basis-Verordnung für die Produktion, Verarbeitung und Kontrolle von Bio-Produkten. Zusätzlich gibt es mehrere ergänzende Rechtsakte der Europäischen Kommission. Sie bringen ab dem nächsten Jahr einige Änderungen für Bio-Betriebe. Die Erlassung dieser neuen Bestimmungen war ein Prozess, der bereits 2014 begonnen hat. BIO AUSTRIA hat auf nationaler und europäischer Ebene immer massiv kritisiert, dass eine völlig neue Verordnung erlassen wird und sich stattdessen für eine praxistaugliche Überarbeitung der bestehenden EU-Bio-Verordnung eingesetzt. Schließlich hat sich Österreich bei der Abstimmung über die neue EU-Bio-Verordnung im EU-Agrarministerrat der Stimme enthalten. Die neuen Bestimmungen konnten nicht verhindert, aber in einigen Punkten verbessert werden.

Die neue Bio-Verordnung bietet dennoch faire Wettbewerbsbedingungen, eine solide Basis auf der die BIO AUSTRIA Richtlinien aufsetzen können und gewährleistet für die biologische Produktion den Schutz des Begriffs und des Prozesses. Im Zuge der beginnenden Anwendung werden in verschiedenen Punkten jedoch noch Herausforderungen bestehen.

Nationale Rechtsgrundlagen

In Österreich ist das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) die oberste zuständige Behörde für die Produktion, Verarbeitung und Kontrolle von Bio-Produkten. Die EU-Bio-Verordnung und ihre ergänzenden Rechtsakte gelten in der gesamten EU und müssen auch in Österreich direkt angewendet werden. Dennoch sind national gewisse Organisations-und Verfahrensvorschriften zum praktischen Vollzug dieser Verordnungen notwendig. Die zentrale Rechtsgrundlage dafür in Österreich ist das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz (EU-QuaDG), mit dem nationale Gremien eingerichtet und Kompetenzen verteilt wurden.

Zu den Aufgaben des Sozialministeriums gehört die Normierung von durch die EU-Bio-Verordnung eingeräumten Regelungsspielräumen. Dies erfolgt großteils in Form von Erlässen. Ein Beispiel ist der Runderlass des BMSGPK „Freigelände- und Weidezugang ab 2022“, welcher die ab nächstem Jahr gültigen Weidevorgaben enthält. Weiters ist das Ministerium für die Erlassung von Bestimmungen zu jenen Bereichen der biologischen Landwirtschaft zuständig, die nicht in der EU-Bio-Verordnung geregelt sind.

Nationale Gremien

Zur Unterstützung des BMSGPK bei diesen Tätigkeiten wurde der Beirat für die biologische Produktion (kurz: Beirat) durch das EU-QuaDG eingerichtet. Dieser besteht aus Mitgliedern der relevanten Ministerien, Landesbehörden, Untersuchungsanstalten, Kammern, Kontrollstellen und Konsumentenvertretung. BIO AUSTRIA ist als Mitglied mit Antrags- und Stimmrecht durch einen Mitarbeiter des Bundesbüros vertreten. Zu den Aufgaben des Beirats zählt neben der Beratung des BMSGPK insbesondere die Erarbeitung von Richtlinienvorschlägen zur biologischen Landwirtschaft.

Zur Behandlung spezifischer Sachgebiete mit Bio-Bezug wurden vom Beirat Fachausschüsse eingerichtet. Diese werden je nach Thema mit entsprechenden Experten besetzt. Derzeit bestehen acht Fachausschüsse zu folgenden Gebieten: Aufbereitung, Kosmetik, Futtermittel, Kontrolle, Rückstände, Pflanzenbau und Boden, Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial sowie Tierhaltung. BIO AUSTRIA ist in sieben Fachausschüssen mit jeweils einer Expertin oder einem Experten vertreten. Aktuell wird etwa im Fachausschuss Aufbereitung über Regelungen für die Bio-Gastronomie beraten. BIO AUSTRIA setzt sich hier für eine Kontrollregelung ein. Die Ergebnisse der Fachausschüsse müssen in der Folge noch im Beirat diskutiert und angenommen werden, um gültige Beschlüsse zu werden. Diese werden schließlich als Erlässe des BMSGPK oder als Richtlinien, zum Beispiel in der „Richtlinie Landwirtschaftliche Produkte aus biologischer Produktion und daraus hergestellte Folgeprodukte“ (Kurz: Richtlinie „Biologische Produktion“), veröffentlicht. Die Richtlinie „Biologische Produktion“ enthält aktuell nationale Bio-Regelungen insbesondere betreffend gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen, Heimtierfuttermittel und Kosmetik.

Bio-Kontrolle

Das EU-QuaDG bildet auch die Rechtsgrundlage für die Bio-Kontrolle in Österreich. Es delegiert die Durchführung der Bio-Kontrolle an private Kontrollstellen und enthält Bestimmungen betreffend die Zulassung der Bio-Kontrollstellen sowie zur Durchführung der Bio-Kontrolle. Außerdem wurde ein Kontrollausschuss eingerichtet, um das Vorgehen aller Beteiligten in Zusammenhang mit der Bio-Kontrolle zu koordinieren. In diesem Ausschuss sind die relevanten Stellen des Bio-Kontrollsystems vertreten. BIO AUSTRIA ist als Vertreter der zu kontrollierenden Bio-Betriebe ein Mitglied mit Beobachterstatus ohne Stimmrecht. Die Ergebnisse, sprich die Regelungen für die Bio-Kontrolle, werden meist in Form von „Maßnahmenkatalogen“ und „Verfahrensanweisungen“ beschlossen und veröffentlicht.

Vollziehung wird überprüft

Ob die Vollziehung der EU-Bio-Verordnung in den Mitgliedsstaaten korrekt erfolgt, wird von der Europäischen Kommission in sogenannten Audits überprüft. 2017 hat die EU-Kommission Österreich geprüft. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Österreich ein gut organisiertes Kontrollsystem hat, jedoch die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung in einigen Punkten unzulänglich anwendet, etwa in Hinblick auf die Vorgaben betreffend Weide von Wiederkäuern. Dazu gab es intensive Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, wo BIO AUSTRIA in einer Vielzahl von Stellungnahmen und Gesprächen die praktischen Anliegen der österreichischen Bio-Landwirtschaft eingebracht hat. National wurde zu diesen und weiteren Fragen der Vollziehung der EU-Bio-Verordnung auch noch ein temporäres Projekt des BMSGPK mit dem Namen „Bio 2021“ eingerichtet. Das Ziel ist, eine EU-konforme und praxistaugliche Vollziehung der neuen EU-Bio-Verordnung in Österreich sicherzustellen. Das Projekt ergänzt vorübergehend die Arbeit der bestehenden nationalen Gremien. Die Durchführung erfolgt in mehreren Arbeitsgruppen, in denen BIO AUSTRIA ebenfalls vertreten ist.

Internationale Mitarbeit

BIO AUSTRIA ist Mitglied des Dachverbands IFOAM Organics Europe, in dem sich über 160 Mitgliedsorganisationen von Bio-Produzenten und Bio-Produzentinnen, von Verarbeitung, Kontrolle, Handel, Forschung und Umwelt sowie Konsumentenschutz vereinen. Mit gemeinsamer Stimme setzen wir uns auf europäischer Ebene für solide und unterstützende Rahmenbedingungen für die Bio-Produktion in Europa ein. IFOAM Organics Europe vertritt die Interessen des Bio-Sektors insbesondere gegenüber der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament. Die Themengebiete reichen dabei von der EU-Bio-Verordnung über die Gemeinsame Agrarpolitik bis hin zum Bio-Aktionsplan oder dem Gentechnikrecht. Dazu arbeitet IFOAM auch in vielen zivilen Dialoggruppen mit, die von der Europäischen Kommission zum Austausch mit dem Sektor veranstaltet werden.

Die Erlassung der EU-Bio-Verordnung und allfälliger Änderungen erfolgt durch den Rat der europäischen Agrarminister zusammen mit dem Europäischen Parlament auf Vorschlag der Europäischen Kommission. BIO AUSTRIA ist auch regelmäßig in unmittelbarem Kontakt mit Vertretern dieser Institutionen. Die Vorschläge der Kommission zu den die Basis-Verordnung ergänzenden Rechtsakten werden im COP (Committee on Organic Production) diskutiert und je nach Rechtsakt muss auch abgestimmt werden. Dem COP gehören Vertreter aller Mitgliedsstaaten und einer der europäischen Kommission an. BIO AUSTRIA bringt die Anliegen der Mitgliedsbetriebe in vielen Stellungnahmen an die österreichischen Vertreter für die Sitzungen des COP ein.

Zusätzlich arbeitet BIO AUSTRIA eng mit Verbänden aus Deutschland (Naturland, Bioland) und der Schweiz (Bio Suisse) zusammen.

Offene Fragen

Zur ab Jänner gültigen neuen EU-Bio-Verordnung gibt es noch viele offene Fragen und laufende Verhandlungen zu Detailbestimmungen. Dies betrifft ergänzende Rechtsakte der Europäischen Kommission, aber auch nationale Vollzugsbestimmungen und Ergänzungen. BIO AUSTRIA setzt sich in allen genannten Gremien und durch eine Vielzahl von Schreiben unmittelbar für die Interessen der Mitgliedsbetriebe ein und wird über die Ergebnisse informieren. BIO AUSTRIA weist in den aktuellen Verhandlungen mit Nachdruck auf die Herausforderungen für den Bio-Sektor hin, weil so kurz vor Gültigkeit der neuen EU-Bio-Verordnung noch nicht alle Punkte geklärt sind und macht sich dafür stark, dass rasch praxistaugliche Lösungen gefunden werden müssen.

BIO AUSTRIA vertritt als Europas größte Biobauern- Organisation national und international die Interessen der heimischen Biobäuerinnen und Biobauern.

Durch unsere Mitarbeit in einer Vielzahl an Gremien und den intensiven Austausch mit anderen Institutionen bringen wir uns unmittelbar für praxistaugliche Bio-Richtlinien ein.

Gertraud Grabmann, Bundesobfrau BIO AUSTRIA

Wissen

Alle europäischen und österreichischen Rechtsgrundlagen zur Bio-Produktion, einschließlich Veröffentlichungen des Kontrollausschusses und des Beirates für die biologische Produktion finden sich auf der Website: tinyurl.com/bn3xvtar

Übersicht über Bio-Normen

Biobäuerinnen und Biobauern müssen wie alle Landwirte und Landwirtinnen allgemeine nationale und europäische Rechtsnormen einhalten, die einen Bezug zur Landwirtschaft haben wie beispielsweise das Tierschutzgesetz.

Die EU-Bio-Verordnung 2018/848 und ergänzende Rechtsakte legen die strengen Produktionsvorgaben speziell für die Bio-Landwirtschaft fest.

Zusätzliche nationale Bestimmungen für alle österreichischen Bio-Betriebe werden vom Sozialministerium in Richtlinien und Erlässen veröffentlicht, zum Beispiel zur Bio-Kosmetik.

Jene österreichischen Biobäuerinnen und Biobauern, die Bio-Förderungen beziehen, müssen zusätzlich auch die Vorgaben des österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten Landwirtschaft (ÖPUL) erfüllen und beispielsweise Kurse zum Thema Bio absolvieren.

Auf diese Normen bauen die BIO AUSTRIA Richtlinien auf, die für alle BIO AUSTRIA Mitgliedsbetriebe gelten. Sie stellen in verschiedenen Bereichen höhere Anforderungen an die Qualität der Bio-Produktion. So gibt es zum Beispiel für BIO AUSTRIA Betriebe zusätzliche Vorgaben zur Förderung der Biodiversität. Bio-Betriebe, die an Handelsketten liefern, müssen auch die Richtlinien der jeweiligen Handelsmarken erfüllen, welche in einigen Bereichen ebenfalls strenger als die EU-Bio-Verordnung sind. Für BIO AUSTRIA Projekte gelten jeweils spezielle Zusatzbestimmungen.

© BIO AUSTRIA

Kontakt

  • Mag. Barbara Waldner

    BIO AUSTRIA, Agrarpolitik und Internationale Beziehungen
    Referentin
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