Kreisläufe besser schließen mit Agrogas?

© Schneider

Eine Gruppe von Biobauern in der Gemeinde Gars am Kamp in Niederösterreich machte sich bereits vor 15 Jahren Gedanken, wie sich der Stickstoff-Kreislauf auf ihren viehlosen Betrieben schließen lässt. Die Lösung war die Errichtung einer Agrogasanlage.

Viele Bio-Ackerbaubetriebe bauen Luzerne an, um Stickstoff zu binden, Humus aufzubauen und Problembeikräuter wie die Ackerkratzdistel zu unterdrücken. Mangels Tierhaltung gibt es für den Aufwuchs keine Verwertungsmöglichkeit als Tierfutter. Die Lösung ist dann oft, dass der Aufwuchs gemulcht wird und auf der Fläche bleibt. Einerseits werden dadurch große Stickstoffmengen gesammelt, von denen möglicherweise ein Teil verloren geht. Andererseits bremst die Stickstoffanreicherung des Bodens die Aktivität der Knöllchenbakterien. Gleichzeitig wird aber der Stickstoff auf anderen Flächen am Betrieb dringend benötigt.

Suche nach Lösungen

16 Biobauern in Gars am Kamp suchten nach einer Lösung für diese unbefriedigende Situation und entschieden sich für eine Agrogasanlage.
Der Aufwuchs der Luzerneflächen wird gemäht und das Mähgut nach kurzem Anwelken mit einem selbstfahrenden Häcksler zerkleinert. Anschließend wird es in den Silo der Agrogasanlage eingebracht, verdichtet und zugedeckt. Die Silage wird kontinuierlich in den Hauptfermenter eingebracht, wo im Zuge des Gärprozesses Methan entsteht. Dieses Methan wird im Gasmotor verbrannt, der wiederum einen Generator betreibt, welcher Ökostrom produziert. Auf diesem Weg werden rund um die Uhr 500 kW Ökostrom produziert, der rund 1000 Haushalte CO2-neutral mit Strom versorgt. Die Abwärme wird für die Kürbiskerntrocknung genutzt. Der Rest wird über ein angeschlossenes Biomasse-Fernheizwerk und von einem angrenzenden Großhandelsunternehmen verwertet.

Übrig bleibt der Gärrest, der durch einen Separator in einen flüssigen (Agrogasgülle) und festen (Abpresskuchen) Anteil getrennt wird. Die Agrogasgülle wird in das Endlager gepumpt, von wo es die beteiligten Biobauern entsprechend ihrem Anteil an geliefertem Substrat entnehmen können. Die Agrogasgülle ermöglicht die gezielte Düngung von Kulturen mit Stickstoffbedarf wie Weizen oder Mais. Es liegt ein geschlossener Kreislauf vor, da kein Material von außen zugeführt wird. Dadurch ist auch die verfügbare Menge Stickstoff je Hektar begrenzt. Die Agrogasgülle ist pflanzenverträglicher als herkömmliche Rinder- oder Schweinegülle und auch nicht so geruchsintensiv.

Weniger Zukaufdünger

Durch den leicht verfügbaren Stickstoff in der Agrogasgülle benötigen die beteiligten Betriebe keinen oder weniger Zukaufdünger. Auch auf den Anbau der in der Region oft enttäuschenden Körnerleguminosen kann großteils verzichtet werden. Hingegen ist die für den Boden so wertvolle Luzerne (im Gemenge mit Gräsern) unverzichtbar. Oft wird eingewendet, dass der Kohlenstoff, der in der Agrogasanlage zu Methan vergoren und im Motor verbrannt wird, für den Humusaufbau fehlt. Dazu ist zu sagen, dass nur rund die Hälfte (der rasch abbaubare Anteil) des eingebrachten Kohlenstoffs zu Methan wird, der Rest verbleibt im Gärrest. Der rasch abbaubare Anteil des Kohlenstoffs geht auch bei der alternativen Verwertung über das Mulchen über Veratmung verloren. Fairerweise muss auch dazu gesagt werden, dass dort die Bodenlebewesen davon profitieren und nicht die Methanbakterien im Fermenter.

Die Agrogasanlage ist seit kurzem an einem EIP-Forschungsprojekt beteiligt, das mögliche Nährstoffverluste aufzeigen und Lösungsmöglichkeiten für deren Vermeidung finden soll. Beispielsweise wird untersucht, wie der Stickstoff in der im Herbst ausgebrachten Agrogasgülle am besten über den Winter konserviert wird oder ob der Abpresskuchen durch Kompostierung aufgewertet werden kann.

So sinnvoll die Agrogasanlage aus pflanzenbaulicher Sicht ist, die wirtschaftliche Sicht stellt sich wesentlich anders dar. Die technische Herausforderung, eine Agrogasanlage mit Luzernesilage zu betreiben, war eine große. Die Vergärung von Maissilage war ein etabliertes Verfahren. Luzernesilage hat jedoch ganz andere Voraussetzungen, wie einen niedrigeren Energiegehalt (bedingt größere Fermenter), höheren Eiweißgehalt (bewirkt höheren Schwefelanteil), etc. Dies konnte ausgeglichen werden mit einem Grasanteil in der Luzerne, mit Grünschnittroggen und anfangs auch mit einem Anteil Mais. Es kostete den beteiligten Biobauern viele Jahre, viele Umbauten und viel Lehrgeld, bis die Anlage zufriedenstellend funktionierte. Auch wenn die Wirtschaftlichkeit auf Grund der genannten Probleme insgesamt nicht gegeben ist, so sind die Betreiber nun mit der Anlage zufrieden.

Die Abläufe haben sich inzwischen eingespielt, organischer Stickstoffdünger ist bei Bedarf rasch verfügbar, Nährstoffkreisläufe sind geschlossen und nebenbei wird auch noch erneuerbare Energie produziert. Ungewiss bleibt nur, wie es nach Auslaufen der verlängerten Ökostromförderung im Jahr 2022 weitergeht.

Dr. Robert Schneider ist Bio-Ackerbauberater bei BIO AUSTRIA Niederösterreich und Wien, Biobauer in Gars am Kamp und an der Agrogasanlage beteiligt.

Ist für BIO AUSTRIA Betriebe der Einsatz von jeder biotauglichen Agrogasgülle möglich?

Nein! Vor jedem Zukauf unbedingt bei BIO AUSTRIA nachfragen, ob die jeweilige Anlage von BIO AUSTRIA zugelassen ist.

• Jede Agrogasanlage beziehungsweise deren Gülle mit konventionellem Inputmaterial wird jährlich mit dem BIO AUSTRIABewertungsschlüssel für Düngemittel bewertet. Zusätzlich zu den Kriterien Herkunft, Herstellungsprozess, Gefahr von Rückständen, Nachhaltigkeit, Wirkung des Düngers werden auch der Brennstoffnutzungsgrad, das heißt die Energieeffizienz der Anlage sowie der Getreide/Mais-Anteil des vergorenen Substrats erhoben und mit Punkten bewertet.
• Nur Agrogasanlagen, die bei der Bewertung mindestens 0 Punkte erreichen, dürfen eingesetzt werden.
• Nicht verwendet werden dürfen Agrogasgüllen, die mit Materialien hergestellt wurden, die bei BIO AUSTRIA als Düngemittel nicht zulässig sind. Dies sind zum Beispiel Geflügel- und Schweinemist oder flüssige tierische Ausscheidungen konventioneller Herkunft.
• Vor dem Zukauf ist um Genehmigung von betriebsfremden organischen Düngern anzusuchen. Das Formular ist unter staging.BIO AUSTRIA.at/formulare zu finden.
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Bei Fragen wenden Sie sich an DI Eva Marthe, Tel. 0732/65 48 84, eva.marthe@BIO AUSTRIA.at

Aus der Praxis

Robert Schneider bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb mit 36 ha seit 1997 biologisch. Angebaut werden Luzerne, Winterweizen, Sommergerste und Ölkürbis. In der Begrünungsmischung finden sich Ölrettich, Phacelia, Kresse, Leindotter und Sandhafer.

Die Agrogasgülle wird im Frühjahr auf Winterweizen ausgebracht, ausgenommen Winterweizen nach Luzerne. Die Ausbringungsmenge beträgt rund 12 m3 pro Hektar. Das entspricht rund 60 kg Gesamt-Stickstoff je Hektar, wovon zwei Drittel als Ammonium-Stickstoff vorliegen. Damit werden Ertrag und Qualität des Speiseweizens sichergestellt, was sich seit vielen Jahren gut bewährt.
Im Herbst kommt die Agrogasgülle auf die Begrünung. Diese soll den Stickstoff organisch binden und so über den Winter festhalten. Daher enthält die Begrünungsmischung stickstoffkonservierende Arten wie Ölrettich und keine Leguminosen.
Zusätzlich zur Agrogasgülle steht noch der Abpresskuchen zur Verfügung, der ähnlich wie Stallmist eingesetzt wird.