Kreisläufe schließen: Mensch und Ameise

© BIO AUSTRIA

Ich habe einmal gelesen, das Gesamtgewicht der Ameisen auf der Erde übersteige das Gesamtgewicht der Menschen. Auch wenn es ein paar Quellen gibt, die diese Dimension bestätigen, lässt sich das nicht ganz genau verifizieren. Aber eine spannende Frage wirft diese Angabe doch auf.

Die Menschen haben das globale Ökosystem bis hin zu dem in ihm herrschenden Klima so intensiv umgeformt, dass die Wissenschaft das Erdzeitalter des Holozän durch das Anthropozän, das Erdzeitalter des Menschen abgelöst sieht. So wie wir Menschen leben auch die Ameisen in arbeitsteiligen, auf Spezialisierung beruhenden „Gesellschaften“ und viele von ihnen in höchst kunstvoll errichteten „Gebäuden“: Obwohl sie so viel wiegen wie wir und unbestreitbar unendlich viel zahlreicher sind, so sieht doch niemand einen Grund, das Erdzeitalter nach ihnen zu benennen. „Antozän“ beispielsweise. Das liegt daran, dass sie auf dieser Erde fast keinen Fußabdruck hinterlassen, sich perfekt in ihre Ökosysteme einpassen. Und dass sie alle Stoffe, die sie verbrauchen, aus ihrer Umgebung beziehen und verstoffwechselt wieder an diese Umgebung abgeben. Sie entnehmen sie nicht aus fossilen Lagerstätten, sie transportieren sie nicht über tausende Kilometer, sie reichern sie nicht in ihrer Umwelt an. Und schon gar nicht verwandeln sie sie in Substanzen, die es vorher auf der Erde gar nicht gegeben hat und bringen sie dann in die Ökosysteme aus. Aber all das tun wir Menschen und die Folgen sind fatal!

Ressourcen schonen

Stoffe im Kreislauf zu halten, Ressourcen nicht weiter auszuplündern und Ökosysteme nicht mit – insbesondere synthetischen – Substanzen anzureichern, ist deshalb die zentrale Aufgabe, um unseren Planeten für uns bewohnbar zu erhalten. Sie gilt für alle Wirtschaftsbereiche und hat mit „cradle to cradle“ (Anm.: cradle to cradle, sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“ ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft) einen sehr praktischen Umsetzungs-Grundsatz erhalten.
Schon lange ist es Bäuerinnen und Bauern klar geworden, dass gerade für diejenigen, die bei der Erzeugung unserer Nahrung unmittelbar in der Natur arbeiten, dieser Grundsatz ganz besonders wichtig ist. Das Wirtschaften in Kreisläufen bildete deshalb für die Pioniere schon immer den Kern der Bio-Landwirtschaft: Sie wollten nicht mit Substanzen arbeiten, die im Kreislauf der Stoffe nie vorgekommen sind. Und sie wollten die Nährstoffe, aus denen unsere Nahrung besteht, dorthin zurückführen, wo diese entsteht: auf den Acker.

Das gelingt uns schon recht gut – jedenfalls wenn man es mit den Einbahnstraßen der industrialisierten Hochleistungs-Landwirtschaft vergleicht. Dort werden Nährstoffe von den Sojafeldern Südamerikas und aus den höchst Energie-intensiven Stickstoffreaktoren der chemischen Industrie durch Futtertrog und Böden geschleust, um dann im überwiegenden Teil von Stickstoff und Phosphat in den Ökosystemen zu landen. Die Wirkung auf Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Wasserqualität sind bestens dokumentiert und sogar in ihrer finanziellen Dimension als „Externalisierte Kosten“ berechnet worden.
Bio-Betriebe verursachen spürbar weniger dieser Kosten, weil sie synthetischen Stickstoff nicht einsetzen und weil sie ihre Eiweißfuttermittel überwiegend selbst erzeugen. Weil ihre Nährstoffe knapp und teuer sind und darüber hinaus ihr Einsatz durch Richtlinien begrenzt istsind, verursachen sie weniger Überschüsse. Was übrigens auch mit dem „Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses“ zusammenhängt: Der Tatsache, dass jedes zusätzlich eingesetzte Kilogramm weniger an zusätzlichem Ertrag hervorbringt als das vorherige heißt ja, dass der Stickstoff-Überschuss umso größer ist, je höher das Ertragsniveau ansteigt.

Gute Konzepte gibt es

Trotzdem können auch wir Bios uns nicht mit dem guten Gefühl zurücklehnen, dass wir die von uns beworbene Kreislaufwirtschaft vollkommen praktizieren würden. Das geht schon mit der Energie los, die (fast) überall, wo Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, aus endlichen Erdölvorräten stammen und deshalb die Atmosphäre mit Treibhausgas anreichern. Auf Wasserstoff-Motoren müssen wir wohl noch etwas warten.

Aber dass es schon heute pfiffige Energiekonzepte gibt, zeigen Pioniere. Ich kenne einen, der nach dem Prinzip der Agroforstwirtschaft Hecken gepflanzt hat, deren Aufwuchs er hin und wieder zu Hackschnitzeln verarbeitet. Die befeuern einen Holzvergaser, mit dem er Strom für seinen Betrieb herstellt. Die dabei anfallende Wärme heizt nicht nur das Wohnhaus, sondern auch die Heutrocknung. Die wird noch durch die Luft zusätzlich gewärmt, die er unter den Solarpanelen absaugt, was diese (durch die Kühlung) zu höherer Leistung bringt. Und dass der Holzvergaser so eingestellt ist, dass dort Pflanzenkohle entsteht, ist ein weiterer Zusatzeffekt. Die wird im Tieflaufstall eingestreut, wo sie Ammoniak bindet und auch Mikroorganismen, was der Klauengesundheit der Kühe entgegenkommt. Und schließlich landet der durch Kohle angereicherte Mist auf dem Acker und hilft dort, Humus aufzubauen.
Seine Kühe sehen im Übrigen kein Gramm Zukauffutter, weil sie ausschließlich vom Grünland ernährt werden – was gut ist für die Tiergesundheit, die Gesundheitswirkung der Milch und für den Geldbeutel des Bauern. Denn der erwirtschaftet mit seinen 5.500 kg/Jahr bessere Deckungsbeiträge als mancher, der mit teurem Kraftfutter Milchleistungen erzielt, mit denen er seine konventionellen Kollegen beeindruckt.

Kreativ weiterdenken

Aber auch bei ihm, so wie bei allen anderen, verlassen die in seinen Produkten enthaltenen Nährstoffe auf Nimmerwiedersehen den Hof. Diese Lücke wird erst geschlossen sein, wenn wir eines fernen Tages die Abwassersysteme unserer Siedlungen so getrennt organisiert haben, dass Klärschlamm bedenkenlos auf die Felder zurück darf. Bis dahin werden wir uns mit technischen Lösungen wie der Rückgewinnung von Phosphat begnügen müssen. Und auf die Kreativität von Forschern und Praktiker zählen, wie sie uns in dieser Ausgabe begegnen!

Gleichzeitig zeigt sein Beispiel, wie viel „Luft nach oben“ auf vielen Bio-Bbetrieben noch besteht, wenn es darum geht, dem Ideal geschlossener Kreisläufe näher zu kommen.
Wenn also Betriebe mit spitzem Rechenstift die Summe ihrer Deckungsbeiträge optimieren, dafür den Anteil an Leguminosen – insbesondere Kleegras – herunterfahren und dann die Nährstoffe durch Zukauf auffüllen, dann geht da etwas in die falsche Richtung.
Je mehr Spezialisierung unter Kostendruck zu vereinfachten Betriebsorganismen führt, desto wichtiger ist es, dass wir dieses Thema als unser Kernanliegen wiederentdecken.

Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Biobauer, und Agrarwissenschafter, Vorstandsvorsitzender Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)