Schweinegesundheit: Rund um die Geburt

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Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet in der Sauenhaltung in erster Linie das Geschehen rund um die Geburt.

Ferkel, die in den ersten Tagen zu Tode kommen, fehlen in der Aufzucht und der Mast. Die Ergebnisse von Arbeitskreisauswertungen zeigen, dass Bio-Ferkelerzeuger nach wie vor Potenzial nach oben haben. Zehn abgesetzte Ferkel pro Wurf sind noch immer eher die Ausnahme als die Regel. Innerhalb des komplexen Geburtsgeschehens können einige wichtige Punkte herausgegriffen werden:

Einstallen der Sau

Vor allem für Jungsauen ergibt sich beim Umstallen in die Abferkelbucht eine völlig neue Situation. Buchtenstruktur, Futter- und Tränkestelle sowie der Mechanismus einzelner Bedienelemente wie zum Beispiel der Auslauftür sind oftmals ganz anders als im Wartestall. Deshalb ist ein rechtzeitiges Angewöhnen, fünf bis sieben Tage vor dem errechneten Geburtstermin nötig.
Vor dem Einstallen sollen die Tiere gewaschen, entwurmt und nötigenfalls gegen Räude behandelt werden. Diese Maßnahmen senken den Keimdruck und erleichtern den Neugeborenen den Start ins Leben.

Geburt und Nachgeburt

Die Geburt ist keine Krankheit. Eine übertriebene Geburtsüberwachung kann mehr Schaden als Nutzen anrichten. Bio-Sauen sind Bewegung gewohnt und neigen deshalb weniger zu Geburtsproblemen (Darmträgheit, Wehenschwäche etc.) als konventionell gehaltene, fixierte Sauen. Zusätzlich unterstützt die Raufuttergabe die Darmpassage und hält den Kot in richtiger Konsistenz. In Ausnahmefällen kann eine manuell unterstützte Geburt Vorteile bringen, es sollte sich aber um keine Routinemaßnahme handeln.

Das Ende der Geburt ist durch den Abgang der Nachgeburt gekennzeichnet. Viele Sauen fressen die Nachgeburt vollständig oder teilweise. Das erschwert für den Betreuer die Kontrolle, ist aber ein natürliches Verhalten und sollte nicht unterbunden werden. Liegt die Nachgeburt aber unangerührt mehrere Stunden im Stall, sollte sie entsorgt werden, da der mikrobielle Verderb rasch fortschreitet. Wenn Sauen nach der Geburt nicht selbständig aufstehen, sollten die Ferkel im Nest fixiert und die Sau in den Auslauf getrieben werden. Dort setzt sie Kot und Harn ab, säuft und kommt dadurch schneller zu Kräften.

MMA-Komplex

Nachgeburtliche Schwierigkeiten (MMA-Komplex: Mastitis – Gesäugeentzündung, Metritis – Gebärmutterentzündung, Agalaktie – Milchmangel, Milchlosigkeit) treten vor allem bei Sauen auf, die verzögerte Geburten zeigten oder bei denen manuell eingegriffen wurde. Auch wenn die Geburtshilfe hygienisch abläuft, wird der Geburtskanal durch das menschliche Eingreifen verunreinigt, was Gebärmutterentzündungen zur Folge haben kann. In solchen Fällen hat sich eine Spülung mit pflanzlichen Arzneimitteln (zum Beispiel Eucacomp®) nach der Geburt bewährt. Treten erste Anzeichen von Fressunlust und Gesäugerötung oder -schwellung und Fieber auf, muss frühzeitig behandelt werden, um den Milchfluss zu gewährleisten und ein Verhungern der Ferkel zu verhindern.

Ferkel versetzen

Die Anzahl an lebend geborenen Ferkeln steigt auch im Bio-Betrieb kontinuierlich. Bei großen Würfen ist ein Versetzen einzelner Ferkel oft das einzige Mittel, um erhöhte Verluste zu vermeiden. Da eine hormonelle Geburtssteuerung nicht erlaubt ist, ferkeln Sauen, die am selben Tag belegt wurden mit einer Streuung von mehreren Tagen ab. Das erschwert das Versetzen, da ein Zusetzen an eine fremde Sau nur in den ersten 24 Stunden nach der Geburt erfolgversprechend ist. Später ist die Saugordnung am Gesäuge stabil und jede Veränderung stört dieses Gefüge. Wesentlich ist, dass immer die stärkeren Ferkel versetzt werden und diese vor dem Versetzen Biestmilch der eigenen Mutter aufgenommen haben.

Nestnutzung fördern

Je kühler der Liegebereich der Sau, desto früher lernen Ferkel, die Zeit zwischen den Saugakten im Nest zu verbringen. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang sein, die Ferkel bei der Fütterung der Sau für cirka eine halbe Stunde im Nest einzusperren. Am Institut für Biologische Landwirtschaft in Thalheim bei Wels ist während der kalten Jahreszeit beim Vergleich zwischen Welser Abferkelbucht (Kaltstall) und Holzstall (Warmstall) deutlich erkennbar, dass Ferkel das Nest in der Welser Bucht wesentlich früher annehmen.

Fütterung

Für Sauen ist jede Futterumstellung ein Stressfaktor. Betriebe, die Probleme rund um die Geburt mit schlecht fressenden Sauen haben, sollten den Umstieg von Trage- auf Säugefutter überdenken. Organisatorisch ist es oft leichter, im Abferkelstall gleich auf Säugefutter umzustellen, für die Sau ist ein fließender Übergang leichter zu verkraften. Die Angst mancher Betriebsleiter, das Tragendfutter sei für die abferkelnde Sau „zu schlecht“, ist unbegründet. Natürlich deckt dieses Futter nicht den Bedarf der säugenden Sau, beginnt man aber bei der Einstallung mit dem Verschneiden, sollte der Umstieg problemlos funktionieren.
Trocken oder feucht, ad libitum oder rationiert? Generell kann empfohlen werden, die Sauen auch am Tag der Geburt normal zu füttern und nicht fasten zu lassen. Eine trockene Futtervorlage erleichtert das Management, da das Futter nicht verdirbt. In Wels wurde die Erfahrung gemacht, dass Sauen völlig unterschiedliches Fressverhalten zeigen und manche Sauen sogar während der Geburt Futter aufnehmen. Dieser individuellen Neigung kann mit Vorratsbehältern, von denen die Sau ihr Futter selbst bezieht (Kugelsystem, Rüttelrohr, etc.) bestmöglich entsprochen werden. Bei Trockenfütterung kann auch die übliche, schrittweise Anpassung der Futtermenge entfallen, da ein Überfressen kaum vorkommt. Restmengen können immer noch am nächsten Tag verwertet werden. Bei breiiger Fütterung ist hingegen mit einem Verderb innerhalb weniger Stunden zu rechnen.

Im Abferkelstall gibt es viele Schrauben, an denen gedreht werden kann. Ein kritisches Durchleuchten der eigenen Situation ist nötig, um Schwachstellen ausfindig zu machen und langfristig mehr als zehn Ferkel pro Wurf abzusetzen.

Autor:
Dr. Werner Hagmüller, Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Thalheim bei Wels