In der Direktvermarktung Trends kennen und nutzen

Frau am Marktstand verkauft Bio-Produkte.
© Wilpernig

Es wurde noch nie so viel über Essen gesprochen wie jetzt. In unserer Ernährung geht es nicht mehr nur um das Sattwerden, es wurde zu einem Element der Gruppenzugehörigkeit und vielleicht sogar zur Glaubensfrage. Wie in der Direktvermarktung diese Trends am besten genutzt werden können, analysiert die Ernährungswissenschafterin Andrea Fičala.

Was die Forschung sagt

In der Trendforschung spricht man bei großen Entwicklungen von „Megatrends“. Dabei handelt es sich um Phänomene, die bis zu 50 Jahre anhalten können. Sie beginnen in Wohlstandsgesellschaften, beeinflussen jedoch im Laufe der Zeit alle gesellschaftlichen Ebenen wesentlich, schließlich sind sie auch Grundlage für wirtschaftliche und politische Entscheidungen. Und sie entwickeln sich weltweit, wobei es regionale Verzögerungen und Intensitäten geben kann. Alle Megatrends beeinflussen einander, es entsteht ein stark vernetztes Bild der Ernährungstrends, das wir auch in der Food Trend Map aus dem Food Report 2022 des Zukunftsinstitutes erkennen, das einem U-Bahn-Plan mit etlichen Abzweigungen ähnelt und zeigt, wie komplex die Trendwelt wirklich ist. Die großen Trends sind hier Gesundheit und Nachhaltigkeit, Qualität und Genuss, Beyond Food (Ersatzprodukte), ein Mix aus Regionalem und Exotischem sowie bequeme Alltagstauglichkeit. 

Ein ähnliches Bild zeigt der aktuelle Trendreport Ernährung des nutrition hub und Bundeszentrums für Ernährung. Für ihn wurden über hundert Expertinnen und Experten, die in der Lebensmittelbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig sind zu relevanten Entwicklungen befragt. Vier große Entwicklungen sind im Bio-Bereich besonders interessant. 

Thema 1: Pflanzenbasierte Ernährung

Während die vegane Ernährung eher als Nischenphänomen gesehen wird, sagt die Trendforschung der vegetarischen oder vor allem der sogenannten flexitarischen Lebensweise mit wenig Fleisch einen kräftigen Schub mit Beständigkeit voraus. Bei Letzterer wird vermehrt auf die Qualität der Fleischprodukte geachtet. Die Bio-Branche hat hier zwei große Vorteile. Sie liefert eine große Vielfalt im pflanzlichen Angebot an Gemüse, Sortenraritäten sowie proteinreichen Hülsenfrüchten. Alte Sorten werden stärker nachgefragt, auch steigt der Konsum von Hülsenfrüchten und daraus hergestellten Verarbeitungsprodukten. Aufstriche in vielen Varianten sind ein Beispiel dafür.

Die Bio-Branche hat hier zwei große Vorteile. Sie liefert eine große Vielfalt an Gemüse, Sortenraritäten sowie proteinreichen Hülsenfrüchten. Alte Sorten werden stärker nachgefragt, auch steigt der Konsum von Hülsenfrüchten und daraus hergestellten Verarbeitungsprodukten. Aufstriche in vielen Varianten sind ein Beispiel dafür. 

Und der Bio-Landbau hat den großen Pluspunkt Tierhaltung mit Blick auf das Tierwohl. Wenn wir es als Gesellschaft daher schaffen, dass die Wertschätzung für Fleisch und das geschlachtete Tier sowie für die Menschen, die unsere Lebensmittel produzieren wieder steigt, muss es auch wieder seinen Preis haben. 

Thema 2: Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Ebenfalls vorne dabei ist die Entwicklung hin zu Lebensmitteln aus möglichst ressourcenschonender Produktion. Wichtig ist hier die ehrliche Kommunikation ohne zu hochstilisierte Traumbilder. Gerade in Zeiten von Social Media werden Konsumenten aufmerksamer gegenüber Täuschungen. Mehr Sein, weniger Schein ist hier ein guter Leitsatz, denn auch die biologische Landwirtschaft ist nicht perfekt, nicht ohne Nachteile für Natur und Tier und nicht frei von Pflanzenschutzmitteln. 

Betriebe, die es schaffen, eine gute Beziehung zu ihrer Kundschaft aufzubauen, haben einen großen Vorteil. Ab-Hof-Verkauf und beziehungsschaffende Aktivitäten wie Hof-Feste oder Marktstände sind daher trotz hohem Aufwand sehr zu empfehlen.

Thema 3: Bequemlichkeit

Konsumenten und Konsumentinnen wollen es bequem haben. Bequem heißt, dass auch weiterhin Snackvarianten beliebt bleiben, auch in Bio-Qualität. Die Kombination von gesund und schnell ist gefragt. Fertigprodukte, Essen zum Mitnehmen und Knabbereien in Bio-Qualität werden gerne gekauft. So werden zunehmend vorgekochte Speisen beispielsweise im Glas angeboten, Laibchen aus Getreide, Gemüse oder Hülsenfrüchten können das Sortiment erweitern. 

Weiters möchten viele gerne rasch und unkompliziert entscheiden, ohne lange nachzudenken. Es besteht zum Beispiel oft eine gewisse Unsicherheit, ob regional oder Bio die bessere Wahl ist. Österreich ist ein starkes Bioland, es bietet Bio und regional. Eine schöne Möglichkeit für den Vertrieb von „bioregional“ ist derzeit das verstärkte Angebot über Selbstbedienungsmärkte, die tatsächlich Betriebe aus der Umgebung abdecken. Sie sind besonders in infrastrukturschwachen Regionen ein wahrer Segen und entsprechen dem Trend des Einkaufs rund um die Uhr.

Thema 4: Gesundheit

Covid hat den Stellenwert von Gesundheit erhöht. Zu beobachten ist ein verstärkt holistisches (ganzheitliches) Verständnis von Gesundheit und verschiedenen Aspekten, die uns gesund halten. Es geht also nicht nur um Körper und Geist, sondern auch um die Gesunderhaltung unserer Umgebung, unserer Umwelt, ohne die wir nicht sein können. Die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimaschutz werden wahrgenommen.

Die Bio-Landwirtschaft hat auch hier ihre große Chance, denn sie ist ebenfalls nicht einfach auf Vergleiche von Nährstoffen oder CO2-Bilanzen herunterzubrechen. Bio-Landwirtschaft leistet viel mehr. Und hier gilt es, den ganzheitlichen Ansatz von Bio-Landwirtschaft gut zu kommunizieren. Besonders wichtig und einfach nachvollziehbar sind die Themen Bodengesundheit und Bodenleben, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft sowie Tierwohlaspekte. Schwieriger erscheint mir in meiner täglichen Arbeit die Kommunikation über Begriffe wie „ohne chemisch-synthetische Düngemittel“, die sperrig und schwer vorstellbar sind im Vergleich zu den Vorteilen von „lebendigem Boden“ und „Vielfalt“.

Ernährungstrends sollten in der Direktvermarktung nicht ignoriert , sondern bei der Produktentwicklung, Verarbeitung und Vermarktung genutzt werden. Das machen auch Industrie und Handel. Es ist daher hilfreich und letztlich notwendig, sich immer wieder einmal mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen, zu beobachten und zu analysieren. Nur so kann man auch langfristig erfolgreich bleiben.

Autorin:

Mag. Andrea Fičala, Ernährungswissenschafterin, Wien

Der Beitrag erschien in der BIO AUSTRIA Zeitung, Ausgabe 2/2022 zum Schwerpunktthema „Bäuerliche Verarbeitung“.