Was sagen Österreichs EU-SpitzenkandidatInnen zum Biolandbau?

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Mit der EU-Wahl 2019 und der Neuausrichtung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) wird das große Feld der europäischen Landwirtschaft neu bestellt.

©BIO AUSTRIA

Eine richtungsweisende Wahl für die Zukunft von über 10 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben und die Lebensmittelversorgung von mehr als 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern.

Bio Austria Niederösterreich und Wien nahm dies zum Anlass, um die österreichischen EU-SpitzenkandidatInnen nach ihren Positionen zur Agrarpolitik, insbesondere des Bio-Landbaus zu befragen. Unserer Einladung folgten Dr. Othmar Karas (ÖVP), Mag. Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Mag. Werner Kogler (GRÜNE), Claudia Gamon, MSc (NEOS), Katerina Anastasiou (KPÖ) und Johannes Voggenhuber (EUROPA) (angeführt in der Reihenfolge des amtlichen Stimmzettels).

Lesen Sie hier die aktuellen Stellungnahmen:

Weltweit sieht eine Mehrheit der Menschen den Klimawandel als die größte Bedrohung für Sicherheit und globalen Wohlstand. Der Biolandbau setzt u.a. auf klima- und umweltschonende Wirtschaftsweisen und Humusaufbau als CO2-Speicher. Sollte der Biolandbau im Rahmen der GAP zum Leitbild der europäischen Landwirtschaft werden?

Dr. Othmar Karas (ÖVP): Wir sind in Österreich Spitzenreiter in der Bio-Landwirtschaft. 17 % aller heimischen Betriebe setzen auf Bio-Landwirtschaft. Etwa 24% der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird für den Biolandbau verwendet. Nur Tschechien und Estland kommen beim Anteil von Bio-Landwirtschaftsbetrieben auf einen zweistelligen Betrag mit 11% und 10%. Alle anderen Mitgliedstaaten liegen deutlich darunter. Ich halte es für begrüßenswert, wenn unser österreichisches Modell in anderen Mitgliedstaaten mehr Anklang finden würde. Die Landwirtschaft muss einen Beitrag zur Klima- und Umweltschutzpolitik und einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion leisten.

Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Wir fordern eine Bio-Wende in der GAP. Das massive Artensterben zeigt, dass es so nicht weiter gehen kann. Die Höhe der Direktzahlungen soll sich zukünftig danach richten, wie umwelt- und klimafreundlich eine Fläche bewirtschaftet wird. Außerdem wollen wir eine Deckelung bei 25.000€ und eine Umverteilungsprämie von 100€ je Hektar für Betriebe bis 20 Hektar. Die Gelder sollen insgesamt die LandwirtInnen dabei unterstützen, tiergerechter und pestizidärmer zu arbeiten. Förderungen soll es nur bei einem Tierschutzniveau geben, das über EU- und innerstaatlichen Mindeststandards liegt. Wer Geld aus Umweltprogrammen erhalten möchte, muss dafür vollständig auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten. (Nachtrag:) Wir treten für gesündere Lebensmittel ein. Das heißt für uns zum Beispiel auch ein europaweites Verbot von Glyphosat.

Harald Vilimsky (FPÖ): Grundsätzliche ist natürliche Bewirtschaftung der Landwirtschaft sehr zu begrüßen. Derzeit sind die Standards schon jetzt sehr hoch. Des Weiteren müssen die Ausgleichszahlungen für natürliche Wirtschaftsweise deutlich angehoben werden.

Mag. Werner Kogler (GRÜNE): Die Grünen stehen für eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft als Voraussetzung für gesunde Lebensmittel und intakte Ökosysteme. Wir treten daher durchaus dafür ein, dass die zukünftige GAP sich am Leitbild Biolandbau orientiert. Schon in der kommenden Periode muss die Agrarwende eingeleitet werden, indem die GAP die Bäuerinnen und Bauern beim Umstieg auf eine nachhaltige, ökologische und klimataugliche Landwirtschaft unterstützt. Mittelfristig sollen nur mehr Betriebe gefördert werden, die öffentliche Leistungen erbringen – nämlich gentechnikfreie und hochwertige Lebensmittel erzeugen, Böden, Umwelt und Artenvielfalt schützen, ArbeitnehmerInnenrechte einhalten, menschenwürdige Entlohnung zahlen und zur Lösung der Klimakrise beitragen.

Claudia Gamon, MSc (NEOS): Wir NEOS stehen für eine grundsätzliche Reform und Ökologisierung der GAP um Klima-, Tier- und Umweltschutz in den Vordergrund der europäischen Landwirtschaft zu stellen. Die Umsetzung der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes, des effektiven Biodiversitätsschutzes sowie des Naturraumschutzes in ganz Europa in der konventionellen Landwirtschaft muss Priorität haben. Es möglichst vielen europäischen Landwirten ermöglicht werden, nach den Kriterien der biologischen Landwirtschaft zu produzieren. Zusätzlich muss durch eine europaweite CO2 Steuer die klimaschonende Landwirtschaft, eine Minimierung der Transportwege und die regionale Nahrungsmittelproduktion forciert werden.

Katerina Anastasiou (KPÖ): Die aktuelle EU-Agrarförderung ist mit einem enormen Bauernsterben und der Entleerung der ländlichen Regionen, Umweltbelastung durch Überdüngung, Überschussproduktionen usw. verbunden. Wir sind daher für die Umschichtung der Agrarförderung zugunsten der Erhaltung und Pflege von Landschaft und Umwelt. Grundprinzipien des biologischen Landwirtschaft zeigen auch Lösungswege für die globalen Probleme der Landwirtschaft auf (z.B. die Abholzung von Wäldern für den Export von Futtermittel).
Die KPÖ bekennt sich also zum Ziel, Landwirtschaft insgesamt biologisch und nachhaltig sowie global gerecht zu betreiben. Der Übergang dazu muss schnell in die Wege geleitet werden, wobei kleine konventionelle Betriebe dabei spezieller Unterstützung bedürfen.

Johannes Voggenhuber (EUROPA): Ja, eine Reform der Förderungen im Agrarbereich ist notwendig. Eine Umwandlung der pauschalen Flächenprämien in Förderungsbedingungen mit ökologischen Mindeststandards für Umwelt, Klima, Natur-, Artenschutz und Tierwohl zu verbinden. Agrarindustrie und Massentierhaltung gehören massiv eingeschränkt und benötigen keine Förderungen. Förderung der nachhaltigen Entwicklung und der effizienten Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Böden und Luft;Beitrag zum Schutz der Biodiversität, Verbesserung von Ökosystemleistungen und Erhaltung von Lebensräumen und Landschaften.

Viele Konsumentinnen und Konsumenten finden sich im Dschungel der globalen Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zurecht. Bedarf es bei der Definition von Lebensmittel neuer Parameter – wie etwa ein respektvoller, achtsamer Umgang mit den Tieren oder Hinweise auf einen ernährungsbewussteren, klimaschonenderen Fleischkonsum?

Dr. Othmar Karas (ÖVP): Was es vor allem stärker benötigt, ist eine transparentere Lebensmittelkennzeichnung. Nur wenn Konsumentinnen und Konsumenten auch eindeutig nachvollziehen können, welchen Ursprung ihre Lebensmittel haben, können sie eine informierte und ausgewogene Entscheidung darüber treffen, welche Lebensmittel sie letztlich kaufen wollen.

Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Österreichs KonsumentInnen brauchen mehr Transparenz beim Produktkauf. Dafür sollte auch das AMA-Gütezeichen reformiert werden. Das gilt vielen Menschen als Qualitätszeichen – ist aber eine reine Black Box. Weder informiert es darüber, wieviel vom Produkt aus Österreich stammt, noch gibt es Auskunft über Pestizideinsatz, Tierwohl und klimafreundliche Herstellung. Bei Fleischprodukten sollte angegeben werden, wie die Tiere gehalten wurden.
Außerdem wollen wir, dass pflanzliche Alternativen weiterhin „Joghurt“ oder „Schnitzel“ heißen dürfen, wenn die Verpackung klar über den Inhalt informiert und wir sprechen uns für eine EU-weite Definition der Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ aus.

Harald Vilimsky (FPÖ): Jahrelang wird seitens der FPÖ eine klare verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel gefordert, auf nationaler und europäischer Ebene. Nicht der Ort der Verpackung oder der Verarbeitung, sondern der Ort wo unsere Lebensmittel tatsächlich erzeugt werden bzw. aufwachsend ist ausschlaggebend. Pflanzenschutz und Tierwohl sind uns schon immer sehr wichtig gewesen. Schlussendlich muss man den Konsumenten eine völlige Transparenz über die Herkunft von Lebensmitteln liefern.

Mag. Werner Kogler (GRÜNE): Die Bürgerinnen und Bürger müssen das Recht haben, zu wissen, wie ihr Essen hergestellt wurde und woher es kommt, insbesondere auch beim Außer-Haus-Konsum und bei verarbeiteten Produkten. Die Kennzeichnung muss neben der Herkunft unbedingt auch die Haltungsform beinhalten (wie bei der Eierkennzeichnung). Zudem setzen wir uns für klare und verpflichtende unionsweite Kennzeichnungsregeln für alle Gentechnik-Produkte ein – auch für Lebensmittel von Tieren, die mit Gentechnik-Futter ernährt wurden. Landwirt*innen, die über dem gesetzlichen Mindeststandard produzieren, hätten dadurch aufgrund der hohen Konsument*innen-Nachfrage Vorteile. Bei der Verpackungskennzeichnung ist auf einfache Verständlichkeit zu achten.

Claudia Gamon, MSc (NEOS): Wir sprechen uns seit unserer Gründung für Transparenz bei der Nahrungsmittelkennzeichnung aus und für eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Vielzahl an Gütesiegeln und Kennzeichnungen. Diese sollten einfach verständlich und europaweit einheitlich sein. Klimaschutz sowie ein respektvoller Umgang mit Lebewesen sollte klar ersichtlich sein und so leicht ausgewählt werden können. Dies sollte aber nicht nur im Einzelhandel gelten, sondern auch in Restaurants und Kantinen soll für Konsument_innen erkennbar sein, ob Nahrungsmittel den höchsten Standards entsprechen.

Katerina Anastasiou (KPÖ): Die industrielle Tiernutzung macht Tierleid für KonsumentInnen weitgehend unsichtbar und nimmt nur wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse fühlender Wesen. Ein staatliches Gütesiegel könnte hier Orientierung bei Fleischprodukten geben. Wir wollen aber auch eine verpflichtende Tierschutzstandard-Kennzeichnung von Lebensmitteln, wie z.B. Eier in verarbeiteten Produkten.
Es braucht aber auch begleitende Bewusstseinsarbeit. Wichtig erscheint uns in diesem Zusammenhang, dass z.B. in öffentlichen Kantinenm, an Schulen, in Kindergräten, Pflegeheimen oder Krankenhäusern bevorzugt biologische Produkte anbieten und auch pflanzliche Alternativen anbieten.

Johannes Voggenhuber (EUROPA): Wir unterstützen die Forderung prinzipiell. Wenn man sich andererseits die vielen „kleinstgeschriebenen“ Kennzeichnungshinweise auf so manchen Lebensmittel ansieht, wird die/der Konsument*in wahrscheinlich gar nicht mehr lesen „können“. Hier gehört eine EU-weite vereinfachte Symbolik eingeführt. Möglicherweise müsste bei manchen Kennzeichnungen von der Freiwilligkeit zur Pflicht übergehen. Es ist nicht verständlich wenn z.B. in Österreich seit 1. Jänner 2009 die Haltung von Legehennen in konventionellen Käfigen untersagt ist und andererseits durch EU-Förderungen im nahen EU-Ausland „Legehennen-fabriken“ gefördert werden. Diese Produkte billiger als die lokalen Legehennen dann in Nudeln, Kuchen, Kekse, Backmischungen oder Gastronomie weiterverarbeitet werden ohne entsprechender Kennzeichnungspflicht. Die/der Konsument*in kann daher nicht erkennen, ob diese Produkte Eier aus Käfig-, Boden- oder Freilandhaltung enthalten. Dies ist insofern von Bedeutung, als zwei Drittel der verwendeten Eier über Produkte wie Mehlspeisen, Mayonnaise oder Nudeln konsumiert werden. Eine Kennzeichnungspflicht nach Herkunft und Haltungsform gäbe sowohl den Konsument*innen die Möglichkeit, sich für Produkte zu entscheiden, die den Grundsätzen des Tierschutzes entsprechen, als auch den EU heimischen Bäuer*innen die Möglichkeit, ihre tierschutzfreundlicher produzierten Eier entsprechend zu vermarkten. Eine weitere Voraussetzung dafür müsste auch sein derartige EU-Förderungen, auch über Umwege nicht mehr zu ermöglichen.

 

Der Verband Bio Austria Niederösterreich und Wien setzt sich für ein verpflichtendes Unterrichtsfach „Ernährung & Landwirtschaft“ in Österreich und Europa ein. Unterstützen Sie dieses Anliegen – und falls „ja“, wie?

Dr. Othmar Karas (ÖVP): Es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler mit dem einem breiten Wissen auszustatten. Das inkludiert auch ein starkes Bewusstsein, woher unser Essen stammt, wie die Landwirtschaft funktioniert und warum eine nachhaltige Lebensmittelproduktion notwendig ist. Ob das in ein bestehendes Unterrichtsfach integriert, in modularen Schulklassensystemen mit Schwerpunktsetzung stärker ausgearbeitet werden kann oder ein eigenes Unterrichtsfach die beste Lösung ist, muss auf Bundesebene entschieden werden.

Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Es ist wichtig, dass bereits Kinder lernen, wie unsere Lebensmittel hergestellt werden und wie wir uns nachhaltig und gesund ernähren können. Dazu sollte das Thema noch besser in bestehende Fächer, wie Biologie, Chemie und GWK integriert und zusätzlich durch mehr Projekte an die Schulen getragen werden.

Harald Vilimsky (FPÖ): Als freiheitlicher und heimatbewusster Vertreter, begrüße ich natürlich Unterrichtsfächer oder Projektarbeiten zum Thema Landwirtschaft und Ernährung. Die Menschen müssen wieder lernen die Landwirtschaft zu verstehen, erleben wieviel Arbeit in der Produktion von Lebensmitteln steckt, die dann bedauerlicherweise achtlos weggeworfen werden. Auch das Lernen mit welchen Problemen die Landwirtschaft konfrontiert ist, hat für mich eine sehr große Bedeutung: Wetter, Klima, Weltmarktpreise und vieles mehr.

Mag. Werner Kogler (GRÜNE): Die Grünen stehen allen Vorschlägen offen gegenüber, die zu mehr Bewusstseinsbildung im Bereich Lebensmittel und Landwirtschaft führen. Es kann uns auf dem Weg zur dringend notwendigen Agrarwende nur helfen, wenn Schüler*innen die Zusammenhänge und Hintergründe, die Techniken und die Herausforderungen verstehen, die bei der Erzeugung unseres Essens eine Rolle spielen. Deshalb finden wir es sinnvoll, wenn Ernährung und Landwirtschaft genauso wie der Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen und die Herausforderungen durch die Klimakrise in die Lehrpläne der Schulen Eingang finden.

Claudia Gamon, MSc (NEOS): Es wäre sehr wichtig in den Schulen eine Bewusstseinsbildung für gesunde und nachhaltige Ernährung zu schaffen, sowie ein Verständnis dafür wie Nahrungsmittel produziert werden. Ob dies am besten durch ein eigenes Fach, Projektwochen oder Integration in den bestehenden Lehrplan erreicht werden kann, müsste im Detail geprüft werden.

Katerina Anastasiou (KPÖ): Ich persönlich unterstütze dieses Anliegen – Kinder und Jugendliche sollen lernen, wie unsere Lebensmittel produziert werden und woher sie kommen. Ich werde mich im Europaparlament dafür einsetzen. Mit der Linksfraktion im EU-Parlament (GUE/NGL – Vereinte Europäische Linke/Nordischen Grünen Linken) sehe ich dafür gute Voraussetzungen und mit unserem Manifest “Eine faire GAP” für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft beste inhaltliche Grundlagen.

Johannes Voggenhuber (EUROPA): Prinzipiell ist Ihr Ansatz gut. In allen Schultypen im Alter von 14-16 Jahren eingeführt werden sollen allerdings als Fach Ernährungslehre und Kochen. Damit der Gesundheitszustand der Jugendlichen und das Wissen um industriell hergestellte Lebensmittel versus regionalen ökologischen bis Bio-Produkten, verbessert werden kann.

Bitte nehmen Sie am 26. Mai von Ihrem Wahlrecht Gebrauch – denn eine selbstbestimmte Landwirtschaft braucht Ihre Stimme!