Weidehaltung für Anfänger: So gelingt der Einstieg

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Wer mit der Weidehaltung beginnt, sollte sich und die Tiere darauf gut vorbereiten. Auch die Weideflächen müssen zu Weidebeginn begleitet werden.

Die natürlichen Standortfaktoren wie Klima, Boden, Pflanzenbestand, Hangneigung, aber auch das Gewicht der Tiere bestimmen, ob und wie eine Grünlandfläche als Weide genutzt werden kann. Für schwere Tiere wie zum Beispiel Kühe sind je nach Gewicht, Boden und Pflanzenbestand Hangneigungen bis maximal 30 % bis 40 % und für Jungrinder bis maximal 50 % bis 60 % zur Beweidung geeignet. Unter feuchten Bedingungen sind das Weidemanagement und der Pflanzenbestand besonders wichtig. Werden Milchkühe geweidet, sollten die Weideflächen nicht zu weit vom Hof entfernt sein, um die tägliche Treibarbeit gering zu halten. Bei Mutterkuhherden oder Jungvieh können die Weiden durchaus weiter entfernt sein, sofern Wasserversorgung und Unterstände auf den Flächen vorhanden sind.

Weidebestand aufbauen

Ein ausgewogener Weidepflanzenbestand muss in den ersten Jahren aufgebaut werden. Er bildet die Basis für geringe Trittschäden und ein gutes Ertragsniveau. In Schnittwiesen befinden sich meist noch viele horstförmig wachsende Obergräser wie zum Beispiel Knaulgras, Glatthafer oder Wiesenfuchsschwanz. In Dauerweiden bilden die Untergräser Wiesenrispengras, Englisches Raygras und der Weißklee das Pflanzengerüst. Wird daher mit dem Weiden auf einer Schnittwiese begonnen, dann sollten zu Beginn regelmäßig kleine Übersaaten „in die Herde“ durchgeführt werden. Die entstehenden Lücken werden so durch wertvolle Weidepflanzen geschlossen. Man kann beispielsweise in den ersten zwei Jahren zwei- bis dreimal jährlich etwa 10 kg Saatgut pro Hektar übersäen, die Weidetiere pressen das Saatgut – gut geeignet ist die ÖAG-Mischung Kwei – an. Für raue Lagen oder Hutweiden kann die Mischung mit Kammgras, Straußgras, Wiesenschwingel und Timothe ergänzt werden. Eine zusätzliche Saat von Weißklee ist meist nicht notwendig.

Neuansaat von Weideflächen am Acker

Wird auf Ackerflächen eine Weidefläche neu angelegt, sollten für das konkurrenzschwache Wieserispengras bestmögliche Bedingungen geschaffen werden. Das wird zum Beispiel mit einer Vorsaat erreicht. Erfolgt die Neuanlage nach einer Sommerfrucht, wird ein gut abgesetztes Saatbett bereitet, cirka 15 bis 20 kg Wiesenrispengras oberflächlich ausgebracht und mit einer Profilwalze angedrückt. Die Ansaat sollte nicht später als Ende August gemacht werden, im Frühling erfolgt zeitig eine zweite Übersaat mit einer Mischung aus Englischem Raygras und Weißklee (8 bis 10 kg Englisches Raygras und 1 bis 2 kg Weißklee je ha). Nach einem Schröpfschnitt wird die Fläche bald beweidet. Bereits bestehendes Ackerfutter kann durch einen kostenintensiveren Umbruch oder aber durch eine einfache Übersaat in eine Weidefläche umgewandelt werden.

Passende Weidestrategie

Stundenweide

Bei begrenzter Weidefläche, in Regionen mit hoher Hitze- oder Fliegenbelastung, bei erhöhtem Beobachtungsbedarf, wenn eine gezielte Ergänzungsfütterung und/oder hohe Einzeltierleistungen angestrebt werden, wird üblicherweise auf die Stunden- oder Halbtagsweidehaltung (Tag- oder Nachtweide) zurückgegriffen. Bei Stundenweidehaltung sollten die Rinder vor allem zum Fressen zum Beispiel in den Morgen- und/oder Abendstunden auf der Weide sein. Damit fällt auch der größte Teil des Kotes und Harns im Stall an und die Hitze- und Fliegenbelastung ist gering.
Die übliche Grundfutterration wird weiter gefüttert. Günstig ist, wenn in der Ration auch etwas Heu enthalten ist. Auch Maissilage, sofern vorhanden, hat eine gute Ergänzungswirkung.

Ganztagsweide

Bei der Ganztagsweide ist der Weideflächenbedarf entsprechend hoch und die Einzeltierleistung begrenzt, dafür braucht es nur wenig Ergänzungsfutter, was die Kosten reduziert.

„Bewegungsweide“

bei knapper Fläche Bei Betrieben, welche in Bezug zur Tieranzahl sehr wenig Weidefläche zur Verfügung haben, wird die Weide vorwiegend als „Bewegungsfläche“ genutzt. Der Boden- und Pflanzenschutz beziehungsweise die sachgerechte Düngung spielen hier eine ausgesprochen wichtige Rolle. Im Frühling und insbesondere im Herbst, aber auch bei ungünstiger Bodenbeschaffenheit und Witterung braucht es mehr Fläche. Bei „Bewegungsweide“ spielt die Weidefutteraufnahme eine untergeordnete Rolle. In diesem Fall werden die Tiere im Stall bedarfsgerecht gefüttert und die Weidestunden pro Tag – zur Verhinderung eines Überbesatzes – bewusst verringert. Es können aber auch die Weidetage pro Fläche in der gesamten Weideperiode begrenzt werden, vorausgesetzt man hat eine Ausweichfläche. Auf stark bestoßenen Flächen erfolgt keine Zusatzdüngung und es braucht einen sehr dichten Pflanzenbestand mit Arten, welche auch einen intensiven Tritt und Verbiss wie zum Beispiel Untergräser, Breitwegerich, Brunelle, Löwenzahn etc. aushalten. Tränke- und Weide-Eintriebsbereiche sowie Triebwege sind möglichst stabil aufzubauen. Nach Möglichkeit sollte in der Weideperiode zumindest einmal eine Weideruhe mit Zwischennutzung angestrebt werden, es braucht dann jedoch eine entsprechend große Ausweichfläche.

Weidesysteme

Das Weidesystem kann unabhängig von der Weidedauer gewählt werden.

Kurzrasenweide oder intensive Standweide

Die Kurzrasenweide ist eine sehr intensive Form der Beweidung und hauptsächlich für intensiv nutzbare Grünlandflächen optimal geeignet. Die Weide ist nicht beziehungsweise in maximal vier Schläge unterteilt. Die Fläche ist über die gesamte Weidesaison besetzt. Wenn eine Ruhezeit vorliegt, dann dauert diese nie länger als eine Woche. Es muss so viel nachwachsen, wie die Kühe täglich fressen: „Das Futter muss den Kühen in das Maul wachsen“. Die mittlere Aufwuchshöhe liegt bei 6 bis 7 cm, die Flächengröße oder der Tierbesatz müssen während der Weidesaison angepasst werden. Nach Möglichkeit sollte in der Weidesaison keine oder maximal einmal ein „Weideputzen“ notwendig sein.

Koppelweide (Umtriebsweide)

Die gesamte Weidefläche wird in Koppeln unterteilt, von denen eine Koppel nach der anderen von den Tieren während einer Besatzzeit von jeweils drei bis sieben Tagen beweidet wird. Bei kurzen Besatzzeiten beziehungsweise Portionierung der Fläche innerhalb der Koppel kann eine höhere Leistung erreicht werden. Das Blährisiko ist beim Koppelsystem höher als bei der Kurzrasenweide. Die tief abgeweideten Koppeln mit einer Restaufwuchshöhe von 4 bis 5 cm werden nach einer konsequenten Ruhephase bei einer neuerlichen Aufwuchshöhe von 10 bis 15 (maximal 20) cm wieder bestoßen oder können auch zur Mahd herangezogen werden. Entsprechend dem Graszuwachs variiert die Weideruhedauer zwischen drei und acht Wochen. Es werden daher unterschiedliche Koppelanzahlen im Jahresverlauf benötigt. Im Frühling wird ein Überweiden aller Koppeln und langsamer Einstieg in das Koppelsystem empfohlen.

Portionsweide (intensive Koppelweide)

Bei jedem Auftrieb wird den Tieren innerhalb des Schlages zur bisherigen Weidefläche eine neue zusätzliche Weidefläche angeboten. Eine bereits abgeweidete Fläche wird nach vier bis sieben Tagen nicht mehr überweidet oder betreten, sollte also wieder ausgezäunt werden. Bei Regenperioden oder ungünstigen Boden- und Pflanzenverhältnissen (im Herbst oder auf Schnittwiesen) sollte auf Grund der Trittschäden nach Möglichkeit auf Portionsweide verzichtet werden. Oft wird die Portionsweide schlecht umgesetzt. Abgeweidete Flächen werden beispielsweise über viele Tage überweidet oder betreten. Die Konsequenzen: keine Ruhephase; neue Nachtriebe werden verbissen, ständig älter werdendes Futter am Feldende; Triebwegbildung hin zur letzten Tagesportion, hohe Trittbelastung am Beweidungstag; unruhige Kuhherde; ungünstige Düngerverteilung. Oft ist das Futter deutlich zu hoch, insbesondere wenn man am Ende des Schlages angelangt ist. Dadurch nehmen die Futterverluste zu, entwickelt sich der Bestand schlecht und gehen die Leistungen der Tiere zurück. Der Aufwand an Arbeitszeit und Material ist bei diesem Weideverfahren hoch, bei gutem Management ist es ertragreich.

Düngung und Pflege

Die größten Düngermengen geben die Tiere bereits auf den Weideflächen ab, weshalb ein durchdachtes Weidemanagement gefordert ist. Die Tiere müssen sich möglichst gleichmäßig auf den Weiden verteilen. Steuernd kann man hier über die Lage der Wasser- und Eintriebsstellen, über Zwischenzäune und die Flächenzuteilung eingreifen. Dünger benötigen vor allem jene Bereiche, wo weniger Kot und Harn anfallen. Optimalerweise wird gut verdünnte Gülle eine Woche vor Weidebeginn im Frühjahr und dann bei Bedarf ein- bis zweimal im Sommer vor Regenperioden ausgebracht. Betriebe, die Festmist zur Verfügung haben, stellen idealerweise Mistkompost oder Rottemist her. Dieser wird mit 10 bis 15 m³ je ha im Herbst nach der Beweidung ausgebracht. Eine jährliche Düngung ist auf Dauerweiden ratsam, um die Umsetzungsprozesse im Boden aufrechtzuerhalten.
Die bedeutendste Pflegemaßnahme auf Weiden ist ein rechtzeitiger Weidebeginn im Frühling bereits beim Spitzen der Gräser. Muss öfters nachgemäht oder gemulcht werden, ist das ein Zeichen, dass die Flächenzuteilung für die Herde zu groß ist. Schlägel-Mulcher sollten bei Kurzrasenweide in der Weidezeit nicht eingesetzt werden, da diese die Fläche zu sehr verschmutzen. Wenn unerwünschte Pflanzen vermehrt auftreten, ist jedenfalls vor der Versamung eine Pflege durchzuführen.

Fütterung

Das Weidefutter weist bei optimaler Weideführung und guten Pflanzenbeständen eine hohe Verdaulichkeit auf. Der Energiegehalt liegt mit durchschnittlich 6,3 MJ NEL/kg Trockenmasse im Bereich von Maissilage beziehungsweise erreicht zu Weidebeginn nahezu energiearme Kraftfuttermischungen. Der Eiweißgehalt ist in gutem Weidefutter mit 20 bis 24 % ebenfalls hoch und reicht fast an Erbsen heran. Die Strukturwirksamkeit ist geringer, der Zuckergehalt ist hoch. Je höher der Weide- oder Grünfutteranteil in der Ration und je besser die Qualität dieses Futters ist, desto weniger Kraftfutter darf und muss ergänzt werden. Salz- und Minerallecksteine werden am besten in der Nähe der Wasserstellen angebracht und vor Regen geschützt. Bei Ganztagsweidehaltung von Milchkühen reichen Salzlecksteine, die nur im Stall angeboten werden, zur Versorgung oft nicht aus.

Erstaustrieb gut vorbereiten

Es ist wichtig, die Rinder auf die Weide vorzubereiten. Wenn sie noch keinen Elektrozaun kennen, müssen sie diesen vor Weidebeginn kennenlernen. Verwenden sie dafür ein gut sichtbares Elektroband im Stall oder Auslauf, die Tiere sollten den Erstkontakt bewusst erleben und nicht zufällig nur anstoßen. Wenn Sie vor dem Erstaustrieb die Herde einige Tage in einen „neuen Auslaufbereich“ lassen können, dann sind die Tiere auf der Weide ruhiger. Manche Rinder, welche noch nie auf einer Weide waren, brauchen Lernzeit, um aktiv mit dem Grasen zu beginnen.

Autor:
Priv. Doz. Dr. Andreas Steinwidder, Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Viele hilfreiche Informationen zur Weide erhalten Sie auf:
www.raumberg-gumpenstein.at/weideinfos

Video zum Erstaustrieb im Frühjahr

Tipps zum ersten Austrieb der Rinder im Frühjahr erhalten Sie in diesem Video.