„Darauf werden wir pochen!“

Portrait Gasselich Otto
© BIO AUSTRIA / Weinfranz

BIO AUSTRIA NÖ und Wien Obmann Otto Gasselich im Interview über die anstehenden GAP-Verhandlungen.

Herr Obmann ÖkR Gasselich, gehen wir gleich in medias res: „Anstieg von Pestizidverbrauch wegen Bio-Produktion“, hieß es im Juni zur Verwunderung vieler Leute auf der ORF-Startseite. Was sagen Sie dazu?

Hier wurden Zahlen der europäischen Statistikbehörde „Eurostat“ seitens der Landwirtschaftskammer völlig falsch interpretiert, in einen unwissenschaftlichen, eigentlich schon unseriösen Kontext gesetzt und damit leider viele Konsumentinnen und Konsumenten verunsichert. Natürlich haben wir darauf sofort und entschieden mit einer Gegendarstellung und den tatsächlichen Zahlen geantwortet. Auch mit einem offenen Brief der Bundesobfrau an den Präsidenten der österreichischen Landwirtschaftskammer Josef Moosbrugger, sowie an alle anderen Präsidentinnen und Präsidenten der Landwirtschaftskammern. Gerade diese Geschichte zeigt, wie wichtig eine starke Verbandsvertretung, also BIO AUSTRIA, für die Biobäuerinnen und Biobauern ist.

Trotzdem, das zeugt nicht gerade von einem partnerschaftlichen Umgang zwischen der konventionellen und biologischen Landwirtschaft, oder?

Öl ins Feuer zu gießen bringt nichts, schon gar nicht in der Landwirtschaft. Aus meiner Sicht wurde hier eine große Chance vergeben: Der Pflanzenschutz hat sich ja zum Glück auch in der konventionellen Landwirtschaft in den letzten Jahren verändert. – Und das in manchen Bereichen durchaus zum Positiven mit weniger gefährlichen Mitteln für die Biodiversität und dem Grundwasser. Das hätte man in diesem Zusammenhang betonen sollen und hätte damit der gesamten Landwirtschaft in Österreich geholfen. Besser man hilft allen Bauern als man verunsichert die Konsumenten. Diesen Zugang wünsche ich mir für die Zukunft. Der Biolandbau macht bereits 25% der landwirtschaftlichen Fläche in Österreich aus, wir sind ein starker Partner mit dem man ordentlich umgehen sollte.

Wie Sie betonen, ist bereits jeder vierte Hektar in Österreich Bio. Sehen Sie darin einen Vorteil für die anstehenden GAP-Verhandlungen im Herbst?

Das Wichtigste bei Verhandlungen ist die Wertschätzung gegenüber den Partnern am Tisch. Also die Wertschätzung der Biobäuerinnen und Biobauern für ihre Leistungen; für den Klima- und Umweltschutz, das Tierwohl und die Biodiversität, den Humusaufbau und Schutz des Grundwassers, und daraus resultiert ja schlussendlich die Versorgung der heimischen Bevölkerung mit hochwertigen, gesunden Bio-Lebensmitteln. Das sind alles wesentliche Leistungen, die eine gebührende, politische Wertschätzung verdienen. Darauf werden wir bei den GAP-Verhandlungen im Herbst pochen, konsequent und mit Nachdruck.

Wer in der EU lebt, muss bei der Agrarpolitik auch nach Brüssel schauen: Ist seitens der EU, also seitens der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik eigentlich die Basis für ökologische und faire Förderentgelte gegeben?

Durchaus! Mit den EU-Vorgaben zum Green Deal und dem Zukunftspapier „From Farm to Fork“ – also „Vom Hof auf den Teller“ – gibt es hier sehr wohl eine starke Basis für eine Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft mit dementsprechend fairen Förderentgelten. Das ist es ja: Die strategische Ausrichtung der EU zur Landwirtschaft und einem gesünderen Lebensmittelsystem geht in die richtige Richtung. Jetzt heißt es allerdings, dass wir in Österreich in diese Richtung mitgehen. Wir sollten endlich zu einer Umsetzung dieser Strategie kommen und nicht nur immer die EU-Strategien kritisch beurteilen und zuwarten. Wir brauchen konstruktive Beiträge zur Umsetzung und keine Stagnation. Diese derzeitige Stagnation ist für mich einfach nicht nachvollziehbar. Die Punkte in den EU-Papieren sind ja gut umsetzbar – es fehlt am Handeln.

Abschließend zu einer weiteren, wichtigen Verbandsaufgabe von BIO AUSTRIA Niederösterreich und Wien: Was tut sich bei der ‚Weidehaltung NEU‘?

Für uns war es einmal wichtig, dass wir die Arbeit für unsere Mitglieder trotz vieler Schwierigkeiten durch die Corona-rise intensiv fortsetzen. Zumindest täglich mit telefonischen Beratungsgesprächen helfen konnten, wenn schon Beratungen vor Ort und Gruppentreffen gesetzlich verboten waren. Die betroffenen Betriebe standen und stehen ja bei der ‚Weidehaltung NEU‘ vor riesigen Herausforderungen: Viele wirtschaften in einem Ortsverbund, müssen mit den Tieren Straßen und Bahnübergänge überqueren, oft sind die Weideflächen sehr verteilt. Das lässt sich alles nicht so leicht und rasch bewätigen. Aber gemeinsam sind wir bei dieser Herausforderung mit einigen Betrieben gut vorangekommen. Jetzt schauen wir darauf, dass die Bio-Kontrollen in diesem Bereich möglichst fair ablaufen, und der kurze Zeithorizont und die Umstände durch die Corona-Krise berücksichtigt werden. Kooperieren, nicht strafen – ist unser Ziel. Schließlich geht es um die existenzielle Perspektive vieler Familien.

Das Gespräch führte Wilfried Oschischnig, pr-manufaktur.